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Die unbestellte Leistungserbringung

§ 241 a BGB im Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Systemkomformität

Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2006. 246 S. ISBN 3-631-54997-0  br., 42,50 EUR












Inhalt:
















Ein „Klassiker“ der Zivilrechtsdiskussion – die Frage nach den Rechtsfolgen der Zusendung unbestellter Waren – hat mit Einführung des § 241 a BGB neue Nahrung gefunden. Vor allem Kritik ist bislang zu vernehmen: Die jetzige Regelung sei verfassungswidrig und verstoße gegen Grundprinzipien des BGB. Um einem dauernden Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz vorzubeugen und dem Sanktionscharakter der neuen Vorschrift Einhalt zu gebieten, müsse § 241 a BGB einschränkend ausgelegt werden.

Die vorliegende Arbeit wählt einen anderen Ausgangspunkt und betont das verbraucherschützende Leitmotiv des Gesetzgebers. Es zeigt sich, dass die Argumente, die für eine restriktive Auslegung des § 241 a BGB vorgebracht werden, nicht überzeugen können. Nach der statt dessen gebotenen weiten Interpretation der Norm wird die bisherige Rechtslage durch § 241 a BGB wesentlich stärker verändert, als vielfach angenommen.












Thesen:















a)

Die UWG Reform 2004 hat die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der unbestellten Leistungserbringung unberührt gelassen. Das grundsätzliche Unwerturteil hinsichtlich dieser Wettbewerbstechnik folgt nunmehr aus § 7 UWG n. F.

Eine „Aufweichung“ der entsprechenden Beurteilungskriterien im Rahmen von Liberalisierungs- und Europäisierungstendenzen des nationalen Wettbewerbsrechts ist auch für die Zukunft nicht zu erwarten, da dem die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zur unbestellten Zusendung in Art. 9 FARL entgegenstehen.










b)

§ 241 a BGB strahlt auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der unbestellten Leistungserbringung lediglich insofern aus, als die Vorschrift die im Wettbewerbsrecht vorherrschende Meinung bestärkt, wonach wettbewerbsrechtlich fundierte Individualansprüche des durch wettbewerbswidriges Handeln verletzten Verbrauchers abzulehnen sind.

Eine „umgekehrte“ Ausstrahlungswirkung dahingehend, dass die von § 241 a BGB nicht erfassten Unternehmer-Unternehmer-Konstellationen wettbewerbsrechtlich zukünftig anders zu bewerten wären, ist der neuen Vorschrift dagegen nicht zu entnehmen.










c)

Die vertragsrechtliche Beurteilung des Verbraucherverhaltens im Zusammenhang mit der unbestellten Leistungserbringung hat sich durch die Einführung des § 241 a BGB grundlegend verändert: Ge- und Verbrauchshandlungen des Verbrauchers reichen anders als nach bisheriger Rechtslage im Regelfall nicht mehr aus, um über § 151 BGB einen konkludenten Vertragsschluss zwischen Unternehmer und Verbraucher zu konstruieren.

Eine konkludente Annahme der vom Unternehmer unterbreiteten Vertragsofferte liegt in der Regel selbst dann nicht vor, wenn der Verbraucher die betreffenden Gegenstände weiterveräußert.










d)

Der in § 241 a BGB normierte Anspruchsausschluss umfasst neben Schadens- und Nutzungsersatzansprüchen auch den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Die vor der Einführung des § 241 a BGB für den Verbraucher bestehende Unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er mit einer Inanspruchnahme durch den Unternehmer zu rechnen hat (Anwendung des § 254 BGB neben § 300 Abs. 1 bzw. § 690 BGB), sind damit beseitigt.

Die Ausschlusswirkung des § 241 a BGB greift auch dann, wenn ein Dritter Eigentümer der vom wettbewerbswidrig handelnden Unternehmer versandten Gegenstände ist.










e)

§ 241 a BGB ist als reine Ausschlussnorm konzipiert und begründet als solche für den Verbraucher kein gesetzliches Recht zum Besitz an den unverlangt übersandten Gegenständen.

Auch einen gesetzlichen Eigentumsübergang auf den Verbraucher bewirkt die Vorschrift nicht. Die Begründung eines Übereignungsanspruchs zugunsten des Verbrauchers in Analogie zu §§ 886, 1169, 1254 BGB scheitert an der fehlenden Regelungslücke.











f)

Der in § 241 a BGB enthaltene Komplettausschluss stellt keine verfassungswidrige Beschränkung der Eigentumsgarantie dar. Bei angemessener Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums handelt es sich hierbei vielmehr um eine im verfassungsrechtlichen Sinne verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Auch Art. 12 und 3 GG sind durch § 241 a BGB nicht verletzt.











g)

§ 241 a BGB hat Sanktionscharakter und bewirkt hinsichtlich der unverlangt übersandten Gegenstände unter Umständen ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz. Beide Eigenschaften wiegen aber nicht ausreichend schwer, um bei der Anwendung der Norm ein Abweichen vom wortlautmäßig vorgegebenen und gesetzgeberisch intendierten Inhalt der Vorschrift rechtfertigen zu können.

Eine Reduktion des Regelungsgehalts der Norm ist weder durch eine Herausnahme des Vindikationsanspruchs aus ihrem Anwendungsbereich noch durch eine einschränkende Interpretation ihres vertragsrechtlichen Aussagegehalts (Weiterveräußerung, Ge- und Verbrauchshandlungen als konkludente Annahmehandlung) möglich.










h)

Im Fall der Weiterveräußerung kann nur der gutgläubige Dritte vom Verbraucher das Eigentum an den unverlangt übersandten Waren erwerben. Überlässt der Verbraucher den Besitz an den betreffenden Gegenständen auf rein schuldrechtlicher Basis an Dritte, ist die Vindikation durch den Unternehmer beim Drittberechtigten ausgeschlossen. Wird die Ware beim Verbraucher durch Dritte beschädigt, ist dem Verbraucher unter Umständen über die Grundsätze der Drittschadensliquidation ein Schadensersatzanspruch eröffnet.










i)

Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs verweist § 241 a BGB auf den in § 13 BGB enthaltenen „konkret-funktionalen“ Verbraucherbegriff. Im Rahmen von § 241 a BGB ist insofern eine hypothetische Betrachtung (welcher Natur wäre das angestrebte Geschäft, wenn es zu einem Vertragsschluss käme?) ausschlaggebend.

Voraussetzung für die Anwendung von § 241 a BGB ist dabei insbesondere nicht, dass der Unternehmer „zur Vertragsanbahnung“ oder im Rahmen eines speziell auf die unbestellte Leistungserbringung ausgerichteten Vertriebssystems handelt.










j)

Auf Unternehmer-Unternehmer-Konstellationen ist § 241 a BGB nicht anwendbar. Auch zu einer „umgekehrten“ Ausstrahlungswirkung kommt es in diesen Konstellationen nicht.










k)

Das Tatbestandsmerkmal „ohne Bestellung“ ist maßgeblich orientiert an der bisherigen wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung zur unbestellten Leistungserbringung auszulegen. § 241 a BGB erfasst damit insbesondere nicht die Rückabwicklung von aus sonstigen Gründen anfechtbaren oder nichtigen Verträgen. Das Merkmal „ohne Bestellung“ kann unter Umständen auch Einzelfallkorrektiv für Konstellationen sein, in den der Normzweck des § 241 a BGB nicht einschlägig ist.










l)

Hinsichtlich missbräuchlicher Dialer empfiehlt sich eine Übertragung der Wertungen des § 241 a BGB auf das Verhältnis zwischen Anschlusskunden und Netzbetreiber jedenfalls insoweit, als nicht der Kunde, sondern das Telekommunikationsunternehmen für das Nichtvorliegen eines solchen missbräuchlichen Dialers beweisbelastet ist.










m)

Macht der Verbraucher im Falle einer Aliudlieferung kaufrechtliche Mängelansprüche geltend, ist § 241 a BGB nicht anwendbar. Überschneidungen zum kaufrechtlichen Gewährleistungssystem ergeben sich insoweit nicht.










n)

Werden die in § 241 a Abs. 2 BGB enthaltenen Wertungen angemessen berücksichtigt, ergeben sich keine Widersprüche zwischen dem in § 241 a Abs. 1 BGB normierten Anspruchsausschluss einerseits und dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag andererseits.









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